Zwei Jugend-Vizeweltmeister aus Deutschland!
Mit zwei Silbermedaillen für Juliane Wurm (Juniorinnen) und Thomas Tauporn (Jugend A) kehrt das DAV-Team von der Jugend WM in Sydney (AUS) zurück. Damit erreicht die Truppe das beste Ergebnis bei einer WM seit dem Weltmeistertitel von Johannes Lau im Speed 2001!
Eine weite Reise hatte das deutsche Team mit seinen 10 Startern und den Trainern Gunter Gäbel und Farid Touchi auch in diesem Jahr wieder vor sich, nachdem bereits 2007 mit Ecuador eine exotische Destination für die Jugend-WM auf dem Terminkalender gestanden hatte. Zum ersten Mal wurde im fernen Australien ein internationaler Kletterwettbewerb ausgetragen und man war gottseidank von der ursprünglich geplanten Outdoor-Location abgekommen und hatte den Wettkampf kurzerhand in die größte Kletterhalle Australiens verlegt – denn noch kurz vor dem Wettkampf herrschte im australischen Winter nasskaltes Wetter mit Schneeregen.
Das Deutsche Team war bereits eine gute Woche vor den Wettkämpfen angereist, um sich an Ort und Stelle zu akklimatisieren und eine letzte Einheit in der Kletterhalle „The Pitch“ zu absolvieren. Die restliche Zeit verbrachte man dann mit Sightseeing, Begutachtung der einheimischen Hoppeltierchen und Relaxen vor den Wettkampftagen.
Die „größte Kletterhalle Australiens“ ist im Verhältnis zu europäischen Hallen dann doch eher nur mittelgroß, und im Vorfeld kamen bei etlichen Kletterern schon Zweifel auf, ob man an solch einer niedrigen und unprofilierten Wand überhaupt eine Weltmeisterschaft abhalten kann. Aber die Routenbauercrew um den Chiefroutesetter Jacky Godoffe hatte das Beste aus dem altertümlichen Wandprofil herausgeholt und mit unzähligen zusätzlichen Strukturen und Routen an einer neuen steilen Wand, die erst kurz vor der WM fertig gestellt wurde, hervorragende Arbeit geleistet. Leider war dies aber auch schon das einzige wirklich Positive, was von Seiten der Organisation zu vermelden war: Viele Athleten und Trainer berichteten von einer reibungslosen aber relativ uninspirierten und lieblosen Jugend-Weltmeisterschaft - die improvisiert wirkende Eröffnungszeremonie vor der Baumarktplane mit dem Charme osteuropäischer Kletterwettkämpfe der Gründerzeit steht dabei symbolisch für die ganze Veranstaltung. „Kein Vergleich zur tollen Atmosphäre in Peking, Imst oder Ecuador“, so der Kommentar der Trainer Gäbel und Touchi.
Leichte Qualifikationsrouten mit Top-Pflicht
Nach der ersten Qualifikationsroute lagen die deutschen Starter alle noch im Soll und im Bereich der besten 26, die ins Halbfinale einziehen sollten. Dabei hatten die Routenbauer eher leichte Routen geschraubt, bei denen unbedingtes Toppen angesagt war, um eine Runde weiterzukommen. Vor allem bei den Junioren hatte die erste Quali Aufwärmcharakter, was bei der eiskalten Halle von den Kletterern dankend angenommen wurde: 50 von 54 Startern konnten die Umlenkung klinken – die Aussage von Thomas „Shorty“ Tauporn dazu: „Das war eine Platte mit Riesen-Griffen – da konnte man gar nicht rausfallen, außer man springt nach hinten ab…“ Auch die zweite Qualifikation bei der männlichen Jugend A lief unter dem Motto „erweitertes Aufwärmen“ (Shortys Kommentar: „hart Acht minus!“) und brachte 37 Topbegehungen hervor. Wer hier nicht schon in der ersten Quali entsprechend vorgelegt hatte, hatte auch mit einer Topbegehung in der zweiten kaum mehr eine Chance auf das Halbfinale. So auch die beiden DAV-Starter Marcel Dippon (Oberer Neckar, Jugend A), und Robin Gray (Miesbach, Jugend A), die beide in der besagten ersten Quali zu früh an einer Einzelstelle abtropften und trotz Topbegehung in der zweiten nur auf Platz 29 bzw. 33 landeten. Der Rest vom Team Germany hatte mehr Glück: Alle anderen konnten in die Runde der besten 26 einziehen – Thomas Tauporn (Schwäbisch-Gmünd) und Jan Hojer (Frankfurt; beide Jugend A) gar fehlerlos mit jeweils zwei Topbegehungen. Samuel Adolph (München-Oberland; Jugend B) lag nach der Qualifikation auf einem hervorragenden 11. Rang; Isabell Haag (Schwaben, Jugend A) war 20., Ines Dull (Allgäu-Kempten, Jugend A) 23. Der einzige Junior im Bunde, Mathias Conrad (Zweibrücken) ging als 23. ins Halbfinale. Bei den Juniorinnen blieb die Topfavoritin Juliane Wurm (Wuppertal) ein wenig hinter den Erwartungen zurück (17.); sie fiel einer diffizilen Plattenstelle in der zweiten Quali zum Opfer, an der zuvor auch schon Luisa Neumärker (SBB; 25.) abgefallen war.
Halbfinale: Nur zwei bleiben übrig
Im Halbfinale wurde dann erwartungsgemäß mächtig an der Schwierigkeitsschraube gedreht: Die Routen warteten mit langen Bouldersequenzen auf und erforderten einiges an Maximalkraftausdauer. Zuviel für Luisa Neumärker, die leider schon früh die Segel streichen musste und 26. wurde – für sie angesichts ihrer Möglichkeiten und ihrem aktuellen 2. Rang in der EYS-Gesamtwertung sicherlich eine herbe Enttäuschung. Wesentlich besser lief es für ihre Freundin Juliane Wurm, die einen sehr starken Go hinlegte und mit der boulderlastigen Route bestens zurecht kam: Sie konnte sogar ihre Dauerrivalin Charlotte Durif (F) hinter sich lassen und zog als Dritte ins Finale ein. Nach ihren beiden verkorksten Jugend-Weltmeisterschaften zuvor endlich der verdiente Lohn für konstant gute internationale Leistungen in den letzten Jahren für Jule! Ihr Ziel für die WM war gewesen: „Finaleinzug und dann mal sehen – wenn man mal unter den letzten acht ist, ist alles möglich!“ – damit hatte sie ihr eigenes Soll schon erfüllt.
Bei den Junioren konnte Matze Conrad leider nicht über den 22. Platz hinaus klettern und auch die beiden A-Damen Isabell Haag (26.) und Ines Dull (10.) mussten zum Finale zuschauen. Dabei war Ines denkbar knapp am Finaleinzug vorbeigeschrammt: Sie hätte einen Griff weiter kommen müssen und wäre damit unter den besten 8 gewesen.
Thomas Tauporn machte bei den A-Jungs deutlich, wo die Reise hingehen soll: In Richtung Medaillenränge! Er holte sich den vierten Platz im Halbfinale und zog als Zweiter aus dem DAV-Team ins Finale ein. Dabei sollte es leider auch bleiben, denn der weitere Finalkandidat der Jugend A, Jan Hojer, kletterte eine technisch anspruchsvolle Stelle, an der Körperspannung gefragt war, mit zuviel Schwung und Coolness und tropfte folglich ab: Nur Rang 15 für ihn und damit das erste internationale Finale seiner Karriere ohne ihn.
Auch Sammy Adolph reichte es nur für Rang 15 im Halbfinale, aber für den jungen Münchner war dies bei seiner ersten Jugend-WM trotzdem ein hervorragendes Ergebnis: Er ließ sein Potential aufblitzen und kann hoffentlich bei den noch ausstehenden EYS-Wettbewerben in Imst, Annecy und Kranj noch einmal ins Finale einziehen.
Wurm und Tauporn holen Silber!
Damit hieß es für das Team Germany Daumen drücken für die beiden Finalisten Wurm und Tauporn, die sich in den langen Finalrouten der Crew um Jacky Godoffe beweisen mussten. Trotz eines eher abwechslungslosen Wandprofils hatten die Routenbauer für die letzte Runde tolle Finals geschraubt.
Zuerst waren die A-Jungs an der Reihe und Shorty durfte als Vierter an die Wand. Hier lief es zuerst locker für den Schwäbisch-Gmünder bis zu einen weiten Zug im letzten Teil der Route, den er zuerst einarmig wegblocken wollte, sich dabei aber im Seil verhedderte und neu ansetzen musste. Mit noch zu viel Strom aber eben nicht mehr genug davon setzte er erneut einarmig an, ohne den entscheidenden und entlastenden Hook zu setzen oder mit der anderen Hand zum Griff dazu zu gehen und musste daraufhin die Reise nach unten antreten. Trotzdem hatte er alle bisher Gestarteten weit hinter sich lassen können, so dass er zuerst einmal auf Rang eins lag. Aber es kamen ja noch weitere vier starke Jungs… Aber weder der nach ihm kletternde Franzose Kevin Aglae noch der Russe Arman Ter-Minasyan konnten auch nur annähernd so weit wie Shorty klettern, so dass vor den letzten beiden Startern bereits feststand, dass Shorty zumindest wieder wie schon 2007 in Ecuador Bronze sicher hat. Als vorletzter Starter ging der Doppel-Jugendweltmeister von 2006, Eric Mateos-Lopez (E) an die Wand, der sich sichtlich angestrengt und weniger entspannt als von ihm gewohnt, bis zur Stelle an der Shorty abgetropft war vorkämpfte. Hier fiel er am gleichen Zug wie Shorty, bekam aber von den Schiedsrichtern noch ein „Gnaden-Minus“ für einen höchstens angetatschten Griff. Damit wäre Eric aufgrund des besseren Halbfinals Zweiter gewesen. Die deutschen Trainer wühlten schon in ihren Geldbörsen nach den 70€ Einspruchgebühr, mussten sich jedoch noch gedulden, bis die offiziellen Ergebnislisten aushingen. Nach 5 abgewiesenen Einsprüchen in der Qualifikation hatten Gäbel und Touchi aber kaum noch Hoffnung auf ein Durchkommen mit einem weiteren Einspruch, setzten aber sicherheitshalber schon mal das entsprechende Papier auf. In der Zwischenzeit hatte der Österreicher Mario Lechner mit einer eindrucksvollen Vorstellung souverän den Weltmeistertitel erklettert – er war noch einmal dreieinhalb Züge weiter als Shorty und Eric gekommen – hatte allerdings auch den entscheidenden Hook gesetzt.
Dann begannen bange Minuten für das Deutsche Team: Einspruch und die entscheidende Frage: Silber oder Bronze für Shorty?? Nach weiteren 20 Minuten Videokontrolle gab die Jury ihre Entscheidung bekannt: Tauporn 34 gehalten – Lopez 34 Minus – Shorty hatte Silber und damit seine zweite Medaille bei einer Jugend-WM nach Bronze in Ecuador 2007!!
Entsprechend entspannt konnte Shorty nun den Start seiner Kollegin Juliane verfolgen, die als drittletzte Starterin aus der Isolation kam und eine hervorragende Performance hinlegte: Ruhig und konzentriert schraubte sie sich immer höher und höher und hatte das Top schon vor Augen, als sie am vorletzten Griff der Route abtropfte. Damit hatte sie die bislang beste Höhe vorgelegt und auch ihre Dauerrivalin Charlotte Durif nach dem Halbfinale ein weiteres Mal dominiert, nachdem Charlottes Finaldurchgang zuvor wegen eines Time-Outs abgebrochen werden musste. Auch für Jule war nun klar: eine Medaille ist sicher – nur welche?? Die nach ihr startende Russin Liubov Shagina sah man im Live Stream kaum, denn sie fiel bereits der ersten schweren Einzelstelle im unteren Drittel zum Opfer. Also schon mal Silber sicher! Die Teamkollegen und die Daheimgebliebenen verfolgten das Geschehen mit schweißnassen Händen. Nur noch die starke Japanerin Akiyo Noguchi, aktuell Zweite in der Boulder-Weltcupwertung, trennte Juliane vom Weltmeistertitel. Akiyo zeigte allerdings keine Schwäche und konnte ebenfalls bis knapp unter den Topgriff klettern, ehe ihr die Arme sichtbar schwerer wurden. Kurzes Hoffen, als ihr am letzten Volumen der Fuß aus einem Hook rutschte, aber sie zog weiter und konnte noch die Bewegung zum Topgriff ansetzen: Ein Plus am gleichen Griff, an dem Jule das Minus hatte – damit war sie Weltmeisterin und Jule hatte Silber. Ein kleiner Wermutstropfen für Jule bei solch einer knappen Entscheidung und angesichts des lockenden Starts bei den World Games 2009 in Taiwan für die Junioren-Weltmeisterin, aber auch große Freude bei Jule, die damit endlich den verdienten Lohn für ihre konstant guten Leistungen einfahren konnte.
Mit den zwei Medaillen hatte das deutsche Team nicht nur ordentlich Anlass zum Feiern am Abend, sondern auch das beste Ergebnis eines Deutschen Teams bei Jugend-Weltmeisterschaften seit 2001 eingefahren und was die Medaillenausbeute angeht, sogar das beste Ergebnis überhaupt!
Dominantes Team bei den Lead-Wettbewerben war erwartungsgemäß Österreich, die mit den Weltmeistertiteln von Johanna Ernst (Jugend A), Mario Lechner (Jugend B) und Jakob Schubert (Junioren) sowie den Silbermedaillen von Berit Schwaiger und Max Rudigier (Jugend B) eindrucksvoll abräumten. Die jahrelange Dominanz der Franzosen ist nun schon seit einigen Jahren Geschichte – nur zwei Bronzemedaillen gab es für die Equipe Tricolore in Australien. Vom Team aus den USA wird man international wohl demnächst wieder mehr hören: Mit einer neuen Teamstruktur und konsequenter Nachwuchsarbeit gelang es schon in Sydney im Lead mit Bronze (Julian Bautista, Jugend B), sowie einem weiteren vierten und einem fünften Platz und einem kompletten Podium im Speed (Jugend B weibl.) auf sich aufmerksam zu machen. Dazu gab es noch zwei weitere Bronzemedaillen im Speed. US-Trainer Claudio Vidulescu dazu: „In two or three years, we will bet he next Austria“ Wir werden sehen.
Russland und die USA dominieren Speed
Bei der Medaillenvergabe im Speed waren die DAV-Starter chancenlos; dominant waren Russland und die USA – Isabell Haag wurde als beste Deutsche immerhin noch Achte, Ines Dull 26., Luisa Neumärker 13., Jan Hojer 16., Marcel Dippon 25., Robin Gray 39., Sammy Adolph 18. und Matze Conrad 22. In Zukunft muss auch im Speed in Deutschland konsequenter trainiert werden, zumal die Wettbewerbe international zunehmend an Bedeutung gewinnen – bereits im nächsten Jahr ist die Aufnahme des Team-Speed-Wettbewerbs, der in Asien bereits sehr populär und medienwirksam ist, ins internationale Programm geplant.
Abschlussparty endet mit abgebrochenem Zahn
Die Abschlussparty am Sonntag nach den Wettkämpfen in der Kletterhalle hatte es in sich: Ohne Nahkampferfahrung hatte man auf der Tanzfläche keine guten Karten, da die Teams aus England und Russland sich wohl auf einem Hardcore-Konzert wähnten und zu Techno-Klängen den Pogo-Tanz zelebrierten. Leidtragender war unter anderem Thomas Tauporn, dem dabei ein Teil seines Zahnes ausgeschlagen wurde, aber laut eigener Auskunft keinen weiteren Schaden davongetragen hat („Zahn schon wieder geflickt – sieht man nix mehr“).

Was steht noch an im Herbst?

Zwei Vizeweltmeister aus den Reihen des DAV – das ist ein hervorragendes Ergebnis und lässt hoffen für die weiteren Wettkämpfe im Herbst: Für die Medaillengewinner stehen die Weltcups in Bern, Imst und Puurs sowie im Oktober die EM in Paris an und für Thomas Tauporn sogar ein Start beim legendären Rockmaster in Arco – dem Ritterschlag für jeden Wettkampfkletterer. Hier muss er sich in einem starken Teilnehmerfeld als einziger Deutscher beweisen, kann aber mit einem Vizeweltmeistertitel im Hinterkopf hoffentlich entspannt aufklettern – bei entsprechender Tagesform ist ihm auf jeden Fall einiges zuzutrauen.
Für den Rest des Jugendkaders geht es Ende September weiter mit dem EYS in Imst – traditionell eher ein Wettkampf bei dem sich die deutschen Starter wegen der ungewohnt langen und extrem steilen Routen schwer tun.
Jede Menge Bilder:
Eine riesige Bildergalerie zur Jugend-WM vom Team Germany gibt es hier:
http://picasaweb.google.de/kaderianer/JugendWM08Sydney#
Weitere Fotos vom Top-Fotografen Simon Carter finden sich hier:
http://www.joshcaple.com/WYC08/
Videos gibt es auf Julianes Website:
http://www.julianewurm.de/
Ergebnisse Team Germany Jugend-WM 2008 Sydney:
  • Jugend B:
    Sammy Adolph (München-Oberland): Lead 15.; Speed 18.
  • Jugend A:
    Thomas Tauporn (Schwäb.- Gmünd): Lead 2.
    Jan Hojer (Frankfurt): Lead 15.; Speed 16.
    Robin Gray (Miesbach): Lead 33.; Speed 39.
    Marcel Dippon (Oberer Neckar): Lead 29.; Speed 25.
    Ines Dull (Allgäu-Kempten): Lead 10.; Speed 26.
    Isabell Haag (Schwaben): Lead 26.; Speed 8.
  • Junioren:
    Mathias Conrad (Zweibrücken); Lead 22.; Speed 22.
    Juliane Wurm (Wuppertal): Lead 2.
    Luisa Neumärker (SBB): Lead 26.; Speed 13.
Der DAV gratuliert seinen beiden Vizeweltmeistern!

Der DAV Jugendkader wird unterstützt vom offiziellen Teamsponsor VauDe/ edelrid.

Text: Matthias Keller
Bilder: © DAV (5), IFSC (1)

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letztes Upload: 04.09
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